Fotokritik |
Timm Starl
Knipser, Amateur, Profi
Im Salzkammergut, einer touristisch stark frequentierten Gegend, fanden diesen Sommer eine kleine Ausstellung zu einem großen Thema und eine umfangreiche zu einer lokalen Größe statt. Ebenso unterschiedlich wie der Umfang waren die Veranstaltungsorte, die jeweils im oberösterreichischen und im steirischen Teil der Region liegen: die bescheidenere Veranstaltung wurde in einem Museum gezeigt, die opulente in einem ehemaligen Stall, der für derartige Anlässe adaptiert worden war. Da wie dort gab es keine begleitende Publikation, geworben wurde mit Plakat, Transparent und Folder.
„Knipser oder Amateur?!
Private Fotografie aus der Sammlung Frank“
Bad Ischl, Photomuseum des Landes Oberösterreich, 23. Juli – 31. Oktober 2011
Hans Frank (1908–1987) gilt als Nestor der Fotogeschichtsschreibung in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg. Ausgebildeter Fotograf und Besitzer eines Fotobetriebes in Salzburg, begann er früh, Belege zur nationalen Geschichte des Mediums zu sammeln, gründete ein privates Fotomuseum und verkaufte später seine Sammlung an das Land Oberösterreich, das in Bad Ischl dafür das Marmorschlössl im Kaiserpark als Domizil einrichtete. Frank arrangierte eine fotohistorische Dauerausstellung, mit der 1978 das Haus eröffnet wurde. Diese Darstellung blieb bis heute nahezu unverändert und repräsentiert den Umgang mit Fotografie, wie er vor gut 30 Jahren gepflegt wurde – sie stellt sich gewissermaßen selbst aus. Für das kommende Jahr ist eine Überarbeitung und Neuordnung vorgesehen. Zu den Kuratorinnen gehört die Kunsthistorikerin Jasmin Haselsteiner-Scharner, die in der Grazer Ortwein-Schule Kunst und Fotografiegeschichte lehrt; sie hat die zur Debatte stehende Schau zusammengestellt.
Zu sehen sind 19 Arbeiten von unbekannten Knipsern und 13 Edeldrucke von namhaften Amateurfotografen, die sämtliche zwischen der Jahrhundertwende und den 1930er Jahren entstanden sind. Bei den Hervorbringungen der privaten Fotografen handelt es sich zumeist um Schnappschüsse, die im Familien- oder Freundeskreis, auf Ausflügen und Reisen als Erinnerungsbilder angefertigt worden sind. Die Kreationen der kunstsinnigen Amateure, die sich in Clubs zusammenschlossen und ihre Werke öffentlich in Ausstellungen präsentierten, zeichnen sich durch Unschärfe und gelegentliche Farbgebung aus. Mit solchen Aufnahmetechniken und Überarbeitungen wurden die Landschaften und Stillleben in eine elysische Welt entrückt. Diese sogenannten Edeldrucke in diversen Verfahren verteilen sich auf fünf bekannte Figuren der österreichischen Kunstfotografie: Heinrich Kühn, Hans Watzek, Hugo Henneberg, Maximilian Karnitschnigg mit je einem Beispiel sowie neun Bilder des Grazers Hugo Haluschka, dessen Nachlass zum guten Teil in die Sammlung Frank eingegangen ist.
|
|
|
Anonym: Arthur Benda mit seiner Frau Hanni am Strand, August 1921, 8,3 x 13,5 cm (aus: Einladung zur Ausstellung) |
Hugo Haluschka: Blumenstrauß, 1933, farbiger Bromölumdruck, 39 x 29 cm (aus: Einladung zur Ausstellung) |
|
Die Auswahl der Knipser wie der Amateure darf man nicht als repräsentativ – weder für deren Schöpfer noch für das Schaffen künstlerische Fotografie jener Jahrzehnte – ansehen. Vor allem verschwindet die Nähe der privaten Sichtweisen beider Gruppierungen hinter den differenten Darstellungsweisen: Die Knipser liefern möglichst detailgenaue Ansichten in kleinformatigen Abzügen, die piktorialistisch agierenden Amateure neigen zu größer angelegten Wiedergaben ihrer unscharfen Bildschöpfungen. So unterschiedlich jedoch die gewählten Motive sein mögen, in beiden Fällen resultieren sie aus einer Beschäftigung in der freien Zeit, die zumeist außerhalb der Städte und häufig in freier Natur, jedenfalls ohne Bezug zu alltäglichen Erwerbstätigkeit stattfindet. Die Bilder sind Zeichen einer Flucht aus dem Alltag, des Wunsches nach einem selbstbestimmten Dasein, nach friedvoller Idylle außerhalb der sozialen Zwänge und öffentlichen Ereignisse. Die Sehnsüchte finden Ausdruck in der Wahl und Auffassung der Bildgegenstände, bei den einen in banaler Wiedergabe besonderer Augenblicke bei den anderen in der ästhetischen Überhöhung vielfach banaler Motive.
Das enge Verhältnis von Objekt und Gestaltung – in jeweils ihrer doppelten Beziehung bei der Wahl und Inszenierung des Bildgegenstandes wie der Freizeitvergnügungen – wird an drei Exponaten deutlich, die von Berufsfotografen stammen beziehungsweise solche abbilden. Die beiden Aufnahmen aus den beginnenden 1920er Jahren zeigen Arthur Benda und seine Frau sowie Olga Wlassics während eines Landaufenthalts. Der Fotograf und die Fotografin betrieben jeweils ein Porträtstudio in Wien, das zahlreiche Berühmtheiten aller Künste zu seiner illustren Kundschaft zählte; sie firmierten unter „d’Ora Benda“ beziehungsweise „Manassé“. Ganz anders als die durchkomponierten Bildnisse fotografierten diese Berufslichtbildner in ihrer Freizeit wie Knipser: ausschließlich dem Moment verpflichtet, ohne besondere gestalterische Absichten. Wer die Aufnahme mit Benda gemacht hat, ist nicht überliefert, jedoch hat dieser 1933 anlässlich eines Urlaubs in Hofgastein selbst Erinnerungsbilder in einer Weise gefertigt, wie sie jeder Knipser hervorgebracht hätte. Auch diese Abzüge befinden sich in der Sammlung Frank und wurden 1982 erstmals in der Zeitschrift Fotogeschichte publiziert.
Solche Aufnahmen belegen, dass sich die Fotografie der Knipser nicht durch fachliche Eignung der Produzenten charakterisieren lässt, sondern eine bestimmte Ausdrucksweise zum Zug kommt, wenn das Private zum Gegenstand wird und die Bilder nicht zur Veröffentlichung vorgesehen sind. Dass dieser Aspekt hervortritt, macht – neben dem Verdienst, der privaten Fotografie ein Forum zu verschaffen, was ja äußerst selten der Fall ist – die besondere Bedeutung dieser kleinen Ausstellung aus.
„Albert Rastl – ein Leben für die Fotografie.
Zum 100. Geburtstag des Grundlsee Fotografen“
Grundlsee, Kaiserstall, 10. Juli – 6. August 2011
Ebenso wie die Knipser selten in die Sphären der Fotogeschichtsschreibung Eingang finden, wurde bislang Albert Rastl (1911–1995) überwiegend nur von Lokalhistorikern wahrgenommen. Obgleich er sich teilweise denselben Themen im Ausseerland, einem Teil des Salzkammerguts, widmete wie die in den 1920er und 30er Jahren in Tirol tätigen Fotografen Peter Paul Atzwanger, Simon Moser und andere. Auch er fotografierte Land und Leute in den Bergen, beobachtete die Einheimischen bei ihren Tätigkeiten, hielt Natur und Landschaft fest. Wie manche Tiroler Kollegen agierte er zunächst als Amateur, doch erreichte er als Jüngerer erst später, nämlich ab den ausgehenden 1930er Jahren, eine entsprechende Meisterschaft. Was ihn jedoch unterschied, war die Darstellungsweise, denn seinen Modellen fehlte der heroische Gestus, mit dem manche Lichtbildner ihre Bergbauern auftreten ließen, indem sie vielfach in Untersicht gegen den Himmel aufgenommen wurden. Entsprechend passten solche Inszenierungen in das Heimatbild des reaktionären Ständestaats ab 1933 und ließen sich später von den Nationalsozialisten ohne weiteres für deren Blut- und Bodenideologie instrumentalisieren. Rastl dagegen sieht in dem alten Mann einen schwer arbeitenden Menschen, und man merkt, wie diesen das Tragen des Heubündels anstrengt.
Der Ausseer Lichtbildner verfolgte primär dokumentarische Absichten und arbeitete vorwiegend in Serien. Dargelegt sind einzelne Arbeitsschritte, womit dem Betrachter eine Vorstellung von der Kraft und Geschicklichkeit verschafft wird, die den Zeitgenossen bei ihren Verrichtungen abverlangt wurde. Man sieht die Holzfäller bei der gefährlichen Abfahrt mit dem Holzschlitten, auf dem die Baumstämme ins Tal gebracht wurden; das Flößen auf den Seen und Flüssen; das Treiben der Jäger in den Wäldern und das Tun der Fischer auf ihren Booten; die Herstellung von Arbeitsgerät in der Sensenschmiede; das Einbringen der Ernte auf den steilen Hängen. Daneben werden die ländlichen Feste registriert, die Umzüge der maskierten Gruppen, der Kirchgang, das Zusammensein der Familien nach Feierabend.
|
|
Albert Rastl: Der Bauer vlg. Christan mit einem Heufachtl, Wienern, 1945, 12,6 x 12,3 cm (neuer Abzug von Ingrid Rastl) |
|
Die von Ingrid Rastl zusammengestellte und gut strukturierte Schau umfasst über 300 Exponate, zum größten Teil Reproduktionen, die von der Tochter, einer gelernten Fotografin, angefertigt worden sind. Der Besucher erhält einen guten Überblick über das Leben in der Region, wie es sich in den 1930er bis 60er Jahren gestaltete. Rastl absolvierte nach 1945 eine Fotografenlehre und eröffnete ein Atelier in Bad Aussee. Später vertrieb er seine Ansichten der Gegend in einem eigenen Postkartenverlag, aus dessen Produktion eine größere Kollektion ausgestellt ist. Von 1958 an hat der Fotograf zu einzelnen Themen Bücher herausgegeben, doch die Vielfalt seines Schaffens erschloss sich erst 1993 in einem kleinen Katalog des Museums im Schloss Trautenfels, in dem auch der Nachlass verwahrt wird. Die Ausstellung in Grundlsee, wo der Fotograf geboren ist, macht – leider nur für die Wenigen, die den Weg in das Urlaubsdorf gefunden haben – auf einen Lichtbildner aufmerksam, der einen wichtigen Beitrag zur ländlichen Bildwelt der Mitte des 20. Jahrhunderts geleistet hat.
Erwähnte Literatur
Arthur Benda: „Foxl Strixi", „Urlaub in Hofgastein", Abb. in: Fotogeschichte, Heft 6, 2. Jg., 1982, Thema Amateurfotografie, S. 22
Wolfgang Otte, Ein Blick ins Ausseerland. Aus Albert Rastls Fotoalbum, Ausstellungskatalog Landschaftsmuseum im Schloß Trauenfels, Trautenfels: Verein Schloß Trautenfels, 1993 (Kleine Schriften der Abteilung Schloß Trautenfels am Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum, Heft 25)
August 2011
................................................................................................................................................................
© Timm Starl 2011
PDF - 187kb
nach oben |
zurück |
|