Fotokritik |
Timm Starl
„Zeichensehen“
Erich Kees
In mir
hrsg. von Max Aufischer, Werner Fenz, Manfred Willmann
deutsch/englisch
Ausstellungskatalog Künstlerhaus Graz am Landesmuseum Joanneum
Graz: Edition Camera Austria, 2006
21,5 : 27,5 cm, 128 S., 80 Abb., davon 5 in Farbe
Leinen, Schutzumschlag
€ 25,-
Erich Kees habe ich als einen Menschen kennen gelernt, der aufmerksam zuhört und zusieht. Er blickte freundlich und neugierig dem Treiben der Gruppe zu, die sich Anfang der 1980er Jahre in Graz getroffen hatte, um eine Ausstellung vorzubereiten. Zugleich hielt er Distanz, unmerklich beinahe, soll heißen: Er war ein wenig mehr bei sich als bei uns. Als wollte er sich ein Bild machen.
Aber er hat nicht fotografiert. Wie überhaupt Menschen in seinen Aufnahmen selten auftauchen und kaum erkennbar sind: im Spiegel eines Schaufensters, unscharf während einer schnellen Bewegung, als anonyme Masse von Passanten. Kees war ein Fotograf der Dinge, die er aus der Nähe betrachtete oder die er als „nahe-liegend“ in Szene setzte: wie seine urbanen Motive, denen er mit dem Teleobjektiv gegenüber trat und sie in ein flächiges Miteinander überführte. Oder wenn er Ausschnitte wählte, die nur einen kleinen Teil des Gesteins zeigen, eine Passage im Geröllfeld, ein Wurzelgeflecht. Manchmal verstärkte er auch so sehr die Kontraste, dass nur noch eine Art Schattenriss entstand. Das ging so weit, dass oft die grafischen Momente überwiegen und die Gegenstände als solche unkenntlich werden. Oder er wendete manche Ansicht ins Abstrakte, jedoch nicht wie sein Grazer Kollege Eckart Schuster, der dafür eigene Materialien heranzog, sondern indem beispielsweise eine Landschaft entsprechend transformiert wurde.
Doch was sich als Nähe gibt, macht die Objekte nicht vertrauter. Schon nach Durchsicht weniger Aufnahmen ist zu merken, dass die fotografischen Inszenierungen zu nicht mehr dienten, als die Erscheinungen möglichst genau wiederzugeben. Es sind präzise Ansichten eines Fotografen, der jedoch seine Ansicht zu dem, was er vorführt, nicht kundtun will. Ihm ist die Fotografie ein Medium, mit dem sich ebenso etwas zeigen wie verbergen lässt. Er ist an dem interessiert, was zu sehen ist, an den Oberflächen, den Konturen, den Schatten. Denn – wie er es selbst formuliert hat und wie ihn Monika Faber im vorliegenden Buch zitiert –, durch „die Sicht auf die Welt des Realen“ werden erst „persönliche Eindrücke, Empfindungen, Erkenntnisse, gedankliche Stellungnahmen, also ‘Bergriffe' ausgelöst.“ Man könnte die Arbeit von Kees mit Nach den Dingen titulieren – in beider Bedeutung der Zuweisung.
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Chargesheimer: „Spukhaft (Gelatinesilbermalerei)“, 1948
(aus: Abstrakte Fotografie, hrsg. von Thomas Kellein und Angela Lampe, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 2000, S. 185) |
Erich Kees: „Koralpe“, 1977 (aus: Camera Ausria , Nr. 5, 1981, S. 4) |
Eckart Schuster: „Spiegelung“, 1980 (Landesmuseum Joanneum, Jahresbericht 1997, Graz 1998, Neue Folge, S. 109) |
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Erich Kees (Jahrgang 1916) ist im Vorjahr in Graz gestorben. Das zur gleichnamigen Ausstellung erschienene Katalogbuch soll einen ungefähren Überblick zum Lebenswerk vermitteln. Dieser Anspruch mag mit dem Bildteil eingelöst werden, mit den Texten von Jasmin Haselsteiner-Scharner und Monika Faber ist dies jedoch nur zum Teil der Fall. Während der eine die pädagogischen Verdienste des Protagonisten herausstellt und ein Hohelied der steirischen Fotografie anstimmt, zeigt der andere Einflüsse der Avantgarde der 1920er Jahre sowie der „subjektiven fotografie“ der 1950er Jahre auf, die das Œuvre von Kees entscheidend bestimmt haben, ohne dass allerdings Bildbeispiele angeführt würden. Doch so sehr die Beiträge wesentliche Bereiche des Werdegangs berühren – den Fotografien und seinem Autor kommen sie nicht nahe. Denn dazu bedarf es eben jener „Begriffe“, die erst beim Vorliegen je einzelner Bilder provoziert werden.
Angeboten hätte sich die Übernahme der Analyse von Werner Fenz im Katalog Erich Kees „1945 – 1985“ aus dem Jahr 1986, der eine Ausstellung in der Neuen Galerie des Landesmuseum Joanneum begleitet hat. Nicht nur benennt der Verfasser recht anschaulich die gestalterischen Mittel des Fotografen, sondern die zugrunde liegende Bildauswahl unterscheidet sich auch nur wenig von der jetzt vorliegenden. Noch besser geeignet wären die so persönlichen wie treffenden Ausführungen von Manfred Mixner, die 1981 unter dem Titel „Mit der Kamera durchs Nadelöhr. Über den steirischen Fotografen Erich Kees“ in Nr. 5 der Zeitschrift Camera Austria erschienen sind. Er hat jene Worte gefunden, die von den Bildern ausgehen und sie mit den eigenen Vorstellungen verknüpfen. Begegnet wird der „Kälte der Wirklichkeit, die er [Kees] als Wahrnehmung festgehalten hat“, mit dem Vokabular des Sinnlichen und Alltäglichen, das den Aufnahmen gleichsam Leben einhaucht, ohne nach den Geheimnissen zu fahnden, die vor ihnen liegen. „Zeichensehen“ hat Mixner den Blick von Kees charakterisiert.
Kees war ein einflussreicher Fotolehrer, der durch seine Vereinstätigkeit, in Workshops und Vorträgen, mit der Organisation von Ausstellungen und Symposien die Zeitgenossen in der Steiermark mit den Errungenschaften der Fotografie und ihrer Geschichte bekannt gemacht hat. Seine Fotografie, die er als Amateur betrieben hat, war dagegen weniger originär. Immer wieder stößt man auf Bilder, die an früher entstandene Werke anderer Autoren denken lassen. Kees hat sich anregen lassen und die bildlichen Fragen an die sichtbare Welt manchmal etwas anders gestellt. Er war in jeder Hinsicht zurückhaltend. Und es erscheint geradezu symptomatisch, dass ihn der Katalog nur in einer kleinen Abbildung nach einer Aufnahme seiner Frau zeigt, als er eine Felspartie markiert und – teilweise von der Kamera abgewendet – nicht eigentlich zu erkennen ist.
Jänner 2007 Veröffentlicht auch in: Fotogeschichte , Heft 104, 27. Jg., 2007.
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© Timm Starl 2007
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