Dem Fotografen geht es nicht um Analyse oder Inszenierung, sondern um Aufdeckung, um die Sichtbarmachung eines Anderen, das den Dingen neben ihrer Oberfläche anhängt. Mlineritsch lüftet nicht deren Geheimnisse, sondern lässt sie ihnen; er zeigt auf die kryptischen Momente, aber er benennt sie nicht. Die Fotografie ist ihm ein Mittel der Vorführung des Rätsels im Alltäglichen. Was ihn interessiert, wird ins Zentrum gesetzt, die Kamera geht frontal auf ihre Objekte zu, nur ganz selten werden Fluchten in leichter Diagonale gesehen. Ob aus nächster Nähe oder in einiger Entfernung, alle Einzelheiten sind deutlich zu erkennen, das Unbekannte liegt nicht in unscharfen Konturen, sondern im Verlauf von Hell und Dunkel, in manchen Übergängen, im Dazwischen. Der Ausschnitt begrenzt das Terrain, in dem die Geheimnisse ihren Ausdruck finden.
Mlineritsch praktiziert die hohe Kunst der Schwarzweiß-Fotografie, der Verlag hat darauf Wert gelegt, dass die zwischen 1993 und 2006 entstandenen Aufnahmen in ausgezeichnetem Druck wiedergegeben worden sind. Nahezu alle Abbildungen weisen dieselben Maße auf, und das Querformat, in dem die meisten Bilder gehalten sind, verschafft diesen einen festen Stand. Trotz gleicher Form und Ausrichtung kommt – auch bei mehrfacher Durchsicht – niemals Monotonie auf. Die Gegenüberstellungen sind sorgsam gewählt, selten in den Motiven oder deren Gestalt korrespondierend, vielmehr als zwei Ansichten dargeboten, deren gleichgewichtiges Nebeneinander eine Atmosphäre der Ruhe erzeugt und doch eine verhaltene Spannung verrät.
Ein ganz wunderbares Buch! Ich stelle es in die Reihe der besonderen Publikationen zeitgenössischer Fotografie, jene Bücher, deren Bilder gleichfalls von der Dämmerung künden, von aufmerksamen und zugleich erstaunten Blicken, von den Zwischentönen, vom Erwachen, wenn alles plötzlich Klarheit erlangt, während die Träume gerade noch präsent sind.
August 2007
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© Timm Starl 2007
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